Jacob Schmal (geb. 1923 in Grimm)
Am 22. Juni begann der Krieg
Mehr als ein halbes Jahrhundert verging seit jenem verhangnisvollen Tag, als das faschistische Deutschland unser Land uberfiel. Jeder Mensch, der den Anfang des Krieges erlebte, erinnert sich zweifelsohne an dieses Ereignis bis in die kleinsten Einzelheiten, naturlich auch ich.
Fruh am Morgen begab ich mich durch die leeren Stra?en in das Gebaude des Wolgadeutschen Rundfunks zur sonntaglichen Morgensendung. Wir Sprecher - Alexander Fjodorowitsch Timofejew und ich - pflegten ziemlich fruh im Senderaum zu erscheinen, um uns mit dem fur die Sendung vorbereiteten Material bekannt zu machen.
Sonntagmorgen, Ruhetag. Au?er uns beiden war niemand im Haus. Wir nahmen die Texte in die Hand - er den russischen, ich den deutschen. Als wir alles durchgelesen hatten, schaltete ich den Rundfunkempfanger ein und drehte gewohnheitsma?ig am Knopf. Plotzlich horte ich eine deutsche Stimme. ... Ein faschistischer Sender schmahte unser Land und unser Volk, all das, was uns nah und teuer war. Zuletzt vernahm ich, dass die Faschisten in den fruhen Morgenstunden unsere Staatsgrenzen uberschritten hatten und sich nun auf dem Vormarsch ins Landesinnere befanden.
Ich schaltete den Empfanger aus, um meinen alteren Kollegen, der kein Deutsch verstand, uber das soeben Gehorte zu informieren, fand aber vollig verdattert, keine Worte. So lie? ich es sein - bis nach der Sendung.
„Achtung, hier spricht Engels“, so begann unsere Morgensendung. Es folgte eine Ubersicht der neuesten Ausgaben der Republikzeitungen „Nachrichten“ und „Bolschewik“. Nach mir meldete sich Alexander Fjodorowitsch. Wie auf hei?en Kohlen sitzend lauschte ich seinem Vortrag.
Mir schien, er wolle kein Ende nehmen. Dann verabschiedeten wir uns von unseren Horern und schalteten das Mikrophon ab. Nun fasste ich Mut und teilte meinem Kollegen mit, was ich am Radio aus Deutschland vernommen hatte. Er horte sich meine Stotterei erstaunt an, schaute, als sehe er mich zum ersten Mal, schwieg eine Weile und meinte dann: „Das kann nicht sein, du hast dich verhort. Also mach keine Dummheiten und gib es nicht weiter.“ ... Noch am Vortag hatten wir durch unseren Unionssender „Komintern“ rosige Mitteilungen aus Berlin gehort.
Der Morgen verhie? einen schonen Tag. Ich wohnte zur Untermiete bei David Koch, dem stellvertretenden Volkskommissar fur Handel unserer Republik. Als ich ihm unter vier Augen von meinem Erlebnis berichtete, warnte mich mein Grimmer Landsmann ebenfalls, auf keinen Fall etwas verlauten zu lassen.
...Molotow hatte inzwischen im Moskauer Rundfunk eine Regierungserklarung verlesen und den heimtuckischen Uberfall Hitler-Deutschlands auf die Sowjetunion gemeldet...
Drei Mal mit halbstundigen Pausen wurde an jenem verhangnisvollen Sonntag die Erklarung der Sowjetregierung uber den Wolgadeutschen Rundfunk ausgestrahlt...
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