Форум Германии

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Olga Ernst geb Blum 07.07.2009 08:47

Îé êàê èíòåðåñíî! À íà íåìåöêîì,íàâåðíîå,òàê âîîáùå.... Ñïàñèáî Àíäðåþ Ìèëëåð.(Y)

Andrej Mill 08.07.2009 04:22

"Reise-Beschreibung der Kolonisten,
* wie auch Lebensart der Russen"

*
*von einem Officier Plahten
*(1764-1770)
1.
Was ist das fur ein Schmerz,
Dass ich muss Deutschland meiden
Und nun, als Kolonist,
Viel’ Plag’ und Kummer leiden;
Betrubniss, viel Verdruss,
Zu Wasser und zu Land
Drum bin ich argerlich;
In diesem neuen Stand.
2.
Stadt Lubeck war der Ort,
Wo man that angagiren;
Da konnte, wer da wollt’
Jung, Alt, ja Gross und Klein,
Zu diesem Gastgebot
Bald eingeladen seyn.
Drum that ich alle Tag’
Mir mit Gedanken qualen.
3.
Mundirung, Geld und Gut
That mir nun ganzlich fehlen;
Kurz, meine ganze Sach’
War herzlich schlecht bestellt;
Ich konnt’ es ohne Klag’
Vor Leuten nicht verhehlen
Ich musste barfuss gehen,
Kein Schnapps war nicht zu wahlen.

Andrej Milli 08.07.2009 04:25

4.
Drauf resolvirt ich mich
Auch mit dahin zu gehen;
Ob ich mein Gluck nicht konnt’
In Russland bluhen sehen.
Ging also eiligst hin
Zum Werbungs-Commisar,
Sagt, dass ich ein Officier,
Auch gut von Adel war.
5.
Bat mir zu Gnade aus,
Der Kaiserin zu dienen,
Deshalb war ich allda
Nach Russland jetzt erschienen,
Um diese Reis’ zu thun
Mit in das neue Land.
Ich kam auch alsogleich
In den Colonistenstand.
6.
Acht Schilling alle Tag’
Bekam ich zu verzehren,
Konnt’ geh’n wohin ich wollt,
Hat’ mich an Nichts zu kehren.
So lebt’ ich vierzehn Tag’
Ganz ruhig im Quartier.
Allein da ging’s zu Schiff -
Ein sehr betrubt Blamier.
7.
Da ward ein jeder Mann
Mit Proviant versehen,
Um so nach Petersburg
In’s Schiff hinein zu gehen.
Allein contrarer Wind
Macht’ uns die Reise schwer;
Das Proviant ging auf,
Die Taschen wurden leer.

Andrej Mill 08.07.2009 04:26

8.
Sechs Wochen mussten wir
Die Wasserfahrt ausstehen,
Angst, Elend, Hungersnoth
Taglich vor Augen sehen;
Also, dass wir zuletzt
Salz, Wasser, Schimmel-Brod,
Zum Lebensunterhalt,
Erhielten kaum zur Noth.
9.
Bis diese Glucksstund’ kam
Oranienbaum zu sehen,
Da that ein Jeder nun
Mit Freud’ vom Schiffe gehen.
Quartierten vierzehn Tag’
Uns in die Hauser ein;
Von da nach Petersburg
Ja all’ zum Schiff hinein.
10.
Bei dieser Hauptstadt nun
That’n wir drei Wochen bleiben
Und auf dem Wasser uns -
Im Schiff die Zeit vertreiben.
Darzu bekamen wir
Zehn Kreuzer in die Hand,
Weil uns drei Groschen Tag’s
An Abzug war bekannt.
11.
Dies kam mir spanisch vor,
Weil’s theuer war zu leben;
Mein Geldsack war betrubt
Und keiner wollt’ was geben.
Da dacht ich bei mir selbst:
Dies ist ein schlechter Spas;
Das Geldchen ist verzehrt
Und hast noch keinen Fras.

Andrej Mill 08.07.2009 04:28

12.
Wo dieses lange wahrt,
Wie wird es mir noch gehen?
Viel Kranke that ich auch
Auf allen Seiten sehen!
Doch hielt ich ruhig aus
Und bat auch inniglich,
Um nur gesund zu seyn, -
Das Andre findet sich.
13.
Drum Leser finde dich,
So wie ich mich that finden;
Vielleicht hab’n wir’s verdient
So weit mit unsern Sunden.
Hab’ Hoffnung und Geduld
Und sey mit dich vergnugt,
Wirf alle Sorge weg
Die dir am Herzen liegt.
14.
Drum werden wir gesund
Nach Saratow hinkommen,
Dieweil wir schon den Weg
Nach Schlusselburg genommen. -
Ach Himmel, hilf uns bald,
Von dieser Wasserqual!
Wir fuhren auch gar bald,
Gar hoch und tiefe Thal.
15.
Allein noch wenig Trost:
Wir mussten weiter reisen,
Bis dass wir bei der Stadt
Passirten durch die Schleussen.
Da kam’n wir endlich hin
Zur Stadt hiess Nowgorod; -
Hier spielte abermal
Mein Geldsack ein Bankrott.

Andrej Milli 08.07.2009 04:29

16.
Nun hort ich dreissig Werst
Wird man zu Schiff noch gehen;
Dann wird man uns zu Land
Bald auf die Wagen sehen,
Da werd’n wir alle Nacht
Stets kommen ins Quartier.
Nun, dacht ich bei mir selbst
Dies Reisen freuet mir.
17.
Allein, potz sapperment!
Ich hab’ es wahrgenommen;
Ich bin bei Tage nicht
Zu einem Sitz gekommen.
Da hiess es: "laufe nur
Und geh’ beim Wagen her!"
Dies wahren harte Wort’
Und fiel’n mir herzlich schwer.
18.
Und wenn den ganzen Tag
Wir dann recht mud’ gegangen
Und hatten zum Quartier
Ein sehnliches Verlangen,
Dieweil mein matter Leib,
Vor Kalt’ und Hungersnoth,
Ja gerne ruhen wollt’,
Sich sattigen mit Brod.
19.
Wir mussten vierzehn Tag’
Beim Wagen patrolliren
Und Weiber mit Bagage
Zu Lande transportiren.
Hier wurden viele krank
Und viele blieben todt;
Die Kindelein voraus,
Die litten grosse Noth.

Andrej Mill 08.07.2009 04:30

20.
Da kamen wir zur Stadt,
Wo wieder Schiffe lagen;
Hier wollten wir uns nun
Vor Kalte schon beklagen.
Allein, was war zu thun,
Man musst’ zur Bark’ hinein,
Dieweil noch kein’ Quartier
Fur uns bestimmet seyn.
21.
Da rief ein Jeder nun:
Wie thut man uns fixiren!
Doch halt, das Wasser wird
In ein’gen Nachten frieren.
Und wie denn auch geschah -
Zu Torschok, hiess der Ort,
Drum schreibe ich anjetzt
Hier meine letzte Wort.
22.
Doch halt, es fallt mir ein
Schon wieder Was zu schreiben.
Und will mit diesem Reim
Mir meine Zeit vertreiben.
Wir kamen allesammt
Mit einer Bittschrift ein:
Dass wir doch im Quartier
Im Winter mochten seyn.
23.
Da dieses nun hiess: ja,
Man soll uns einquartieren, -
Dieweil ein Jeder glaubt’,
Er werde bald erfrieren, -
Transportirte man uns gleich
Ja in die Dorfer ein,
Wo wir auch dazumal
Gleich einquartieret seyn.

Andrej Milli 08.07.2009 04:32

24.
Da ich nun diese Zeit
Sehr Vieles ausgestanden,
Dennoch nicht bose ward
Mit Schelten, Fluch und Banden;
Obschon mein neu Quartier
Sehr traurig that aussehen -
Doch musst ich mit Geduld
Dies alles uberstehen.
25.
Dieweil lch mich erfreut -
Die Russen anzuschauen.
Sah mit Verwunderung
Wie sie ihr Land bebauen.
Das wird nicht recht gepflugt,
Nicht ordentlich besaet
Und, wenn die Fruchte reif,
Von Herzen schlecht gemaht.
26.
Da ruht auf manchem Land
Ja wirklich reicher Segen.
Weil hier an dem Verstand
Der Bauer sehr verlegen:
Dann nehmen sie ein Pferd
Mit ein klein Wagelein
Und legen’s auf ein Hauf;
Das muss die Scheuer seyn.
27.
Der Regen, Wind und Schnee, -
Der muss nun Ordnung halten;
Hanns Russmann sitzt im Haus,
Thut weiter nichts verwalten,
Bis dass die grosste Noth
Und ihn der Hunger treibt.
Nun spricht er: "Matschka komm;
Hol’, was noch ubrig bleibt."

Andrej Mill 08.07.2009 04:33

28.
Dann nimmt er dickes Holz -
Fangt grausam an zu schlagen;
Ja, wenn ich es ansah,
Ich thue bald verzagen,
Dass so ein Unverstand
Und reicher Segen war:
Vor Faulheit stinckt der Russ’,
Das ist ja hell und klar.
29.
Sonst, Russlands Gegenden -
So ich bisher gesehen -
An Holz und Wies und Feld
Kann alle Zeit bestehen;
Nur, dass es von Natur
Dem Winter ist bekannt:
Wer wenig auf dem Leib -
Dem friert auch Fuss und Hand.
30.
Nun hab’ ich in der Kurz
Des Landes vorgenommen.
Jetzt will ich auf die Tracht
Und Lebensarten kommen,
Dieweil ich Winterszeit
Hab’ Alles angesehn.
Es ist recht in der That
Und wirklich so geschehen.
31.
Als ich das erste Mal
In mein Quartier getreten,
Da hort ich ja den Russ’
Stark seufzen, stohn’n und beten,
Und waren Jung und Alt
Von Herzen sehr betrubt,
Weil man den Kolonist
Ihm in’s Quartiere giebt.

Andrej Mill 08.07.2009 04:34

32.
Und Batschka sein Gestalt
War bose anzuschauen;
Sein haariges Gesicht,
Dem that ich gar nicht trauen.
Er ging fast vollig nakt, -
Im blossen Hemd’ allein,
Und Matschka musst’ mit ihm
Stets auf dem Ofen seyn.
33.
Ich guckt’ ins Ofenloch, -
Weil oben alle lagen;
Sie wollten mich bald all’
Mit Faust und Finger schlagen.
Doch mit dem grossen Bart, [1]
Der kam vorher hinein,
Wo Batschka, Matschka auch
Bald nachgefolget seyn.
34.
Doch weil es morgen war
Und ich vom Schlafe kam,
Sah ich den Russenmann,
Wie auch die Baba an.
Ich dachte bei mir selbst:
"Was soll denn das bedeuten -
Die geh’n ja bloss im Hemd
Und das vor allen Leuten!"
35.
Doch hatten Gross und Klein
Die Spindel in der Hand
Und nach der Ofenpllate
Sich Alle zugewandt.
Ich hatte nun die Stub’
Vor mir allein zu sehen:
Nur Huner, Schwein’ und Schaaf’ -
Davor konnt’ ich kaum gehen.


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